Warum KI kein Ersatz für das eigene Denken ist

Nach einer neuen, im Journal Learning and Individual Differences veröffentlichen Auswertung gehört Prof. Dr. Malte Jansen weltweit zu den forschungsstärksten Wissenschaftler:innen auf dem Gebiet der Pädagogischen Psychologie. Im Interview spricht der HMU-Professor über sein Fachgebiet und darüber, was Künstliche Intelligenz für den Lernprozess bedeutet.

Herr Prof. Jansen, herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung für Ihre langjährige Forschungsarbeit. Wie würden Sie die Pädagogische Psychologie in einem Satz zusammenfassen und was fasziniert Sie an dem Forschungsfeld?

Prof. Dr. Malte Jansen lehrt Pädagogische Psychologie an der HMU in Potsdam (Foto: HMU)

Die Pädagogische Psychologie ist die Psychologie des Lernens und Lehrens. Mich fasziniert an diesem Teilgebiet der Psychologie vor allem die Breite der Forschungsfragen: Einerseits untersuchen wir Lernprozesse sehr spezifisch, also etwa, wie Lernmaterial gestaltet sein muss, damit es nachhaltig verstanden wird. Andererseits betrachten wir Bildungswege über viele Jahre hinweg und fragen, welche Merkmale von Lernenden langfristig eine Rolle für Bildungserfolg spielen: Motivation, Intelligenz, aber auch ein psychologisches Merkmal, das mich besonders interessiert – Fähigkeitsselbstkonzepte.

Bitte erläutern Sie kurz, was Fähigkeitsselbstkonzepte sind.

Fähigkeitsselbstkonzepte spielen in meiner Forschung eine große Rolle. Im Fokus steht die Frage, warum zwei Personen mit identischen Leistungen zu völlig unterschiedlichen Einschätzungen ihrer eigenen Fähigkeiten gelangen können. Mädchen schätzen sich zum Beispiel in Physik oder Chemie systematisch niedriger ein als Jungen, ohne dass sich das durch schlechtere Noten oder Testleistungen erklären lässt. Solche Diskrepanzen haben reale Folgen für Lernprozesse und spätere Bildungsentscheidungen, etwa bei der Studienwahl.

Das klingt nach einem sehr interdisziplinären Forschungsansatz.

Das stimmt. Pädagogische Psychologie ist immer auch Bildungsforschung – und damit im interdisziplinären Austausch mit Erziehungswissenschaft, Bildungssoziologie oder Bildungsökonomie. Schließlich leistet unser Fachgebiet zahlreiche Beiträge zu aktuellen Themen, die in Bildungspolitik und Gesellschaft diskutiert werden – von Fragen der Schulstruktur über Bildungsungleichheiten bis hin zur Nutzung von KI in der Bildung.

Welchen Einfluss hat die Künstliche Intelligenz auf personalisierte Lernansätze?

Schon lange beschäftigt sich die Pädagogische Psychologie mit der Frage, wie technologische Tools individuelle Förderung unterstützen können. Die Vision eines Systems, das auf Basis des jeweiligen Vorwissens und der Interessen der Lernenden passgenau Aufgaben auswählt und hilfreiches Feedback gibt, existiert seit den 1980er-Jahren. Doch diese sogenannten Intelligenten Tutoriellen Systeme basierten lange auf vergleichsweise einfachen Technologien und waren jeweils nur für sehr spezifische Anwendungen nutzbar. Jetzt hat KI diese Art von Lernsystemen innerhalb weniger Jahre revolutioniert und kommt damit der Vision eines individualisierten Lernassistenten deutlich näher. Das Potenzial ist groß, keine Frage...

Das klingt, als folge jetzt ein „aber“.

Richtig. Denn die Wirkungsforschung kommt dem technologischen Tempo kaum hinterher. Erste Meta-Analysen zeigen zwar positive Effekte, dennoch wissen wir zu wenig darüber, unter welchen Bedingungen KI tatsächlich lernwirksam ist. Fest steht: KI ersetzt keine didaktische Expertise. Sie modelliert den Wissensstand von Lernenden noch nicht zuverlässig, kennt curriculare Ziele nicht und ist fehleranfällig. Deshalb sollte KI nicht als autonome Lernlösung verstanden werden, sondern als potenziell hilfreiches Werkzeug, das in gut gestaltete Lernumgebungen eingebettet werden muss.

Welchen Einfluss hat KI-gestütztes Lernen auf Kreativität und eigenständiges Denken?

KI kann ein guter Ideengeber sein: als Brainstorming-Partner, der alternative Perspektiven aufzeigt oder Impulse gibt, wenn man selbst „festhängt“. Viele kreative Prozesse lassen sich damit anregen oder strukturieren. Das Hauptrisiko ist aber, dass Lernende KI nicht als Lernassistent begreifen – also als Werkzeug, das ihnen hilft, ihr eigenes Verständnis zu vertiefen –, sondern als jemanden, an den man Aufgaben einfach delegiert. In diesem Fall leidet die Entwicklung kognitiver Kompetenzen in allen Bereichen, also nicht nur in Bezug auf Kreativität oder kritisches Denken, sondern auch bei der ganz basalen Entwicklung fachlicher Fähigkeiten, etwa im verständnisorientierten Lesen, im Schreiben oder Rechnen. KI ist also nur dann lernförderlich, wenn, wenn Lernende über die nötigen fachlichen, digitalen und metakognitiven Kompetenzen verfügen – und wenn KI-Nutzung reflektiert erfolgt.

Was bedeutet der KI-Einsatz für Lehrende? Viele stehen dem sehr skeptisch gegenüber.

Lehrkräfte sollten das Thema KI-Nutzung aktiv angehen und eine nicht-intendierte KI-Nutzung durch Schülerinnen und Schüler mit bedenken. Das Ziel muss sein, KI so einzubauen, dass sie das eigene Denken der Lernenden anregt – etwa indem sie erste Ideen liefert, alternative Perspektiven anbietet oder Rückmeldungen gibt, die Lernende dann kritisch prüfen müssen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, denn für die konkrete Umsetzung im Unterricht gibt es bislang kaum evidenzbasierte Strategien. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission empfiehlt eine Phase der systematischen Erprobung von KI im Unterricht, verbunden mit einer positiven Fehlerkultur. Lehrkräfte sollen Risiken reflektieren, aber das sollte weder zu einem Verbot von KI führen noch dazu, dass kritische Diskussionen und Unsicherheiten die Nutzung hemmen. Vielmehr sollten Lehrkräfte Nutzungsszenarien ausprobieren, Erfahrungen sammeln und diese in kollegialen Prozessen auswerten. Nur so kann sich ein professioneller Umgang mit KI entwickeln.

Wie bewerten Sie den KI-Einsatz bei Leistungsüberprüfungen?

Hier ziehe ich eine klare Grenze: KI-Nutzung sollte reguliert werden. Gerade bei Hausarbeiten besteht die Gefahr, dass KI den produktiven Schreibprozess ersetzt und Lernende dadurch zentrale akademische Kompetenzen nicht aufbauen. Auch die Ständige Wissenschaftliche Kommission weist explizit darauf hin, dass verständnisorientiertes Schreiben und Quellenkritik weiterhin zentrale Bildungsziele bleiben. Gleichzeitig zeigen Studien aber, dass Lehrkräfte große Schwierigkeiten haben, KI-Nutzung in Aufsätzen zuverlässig zu erkennen. Daher sind Prüfungsformate wichtig, in denen KI schlicht nicht einsetzbar ist: mündliche Prüfungen, Klausuren mit analogem Schreiben sowie situative Diagnosen im Unterricht. Insgesamt geht es also darum, Lernprozesse so zu gestalten, dass KI als Werkzeug genutzt wird – nicht als Ersatz für das eigene Denken.

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Über das aktuelle Ranking in Learning and Individual Differences
In ihrem Artikel Mapping the intellectual landscape of educational psychology messen die Autorinnen und Autoren den Einfluss und die Sichtbarkeit von Forschenden, Institutionen, Zeitschriften und Ländern auf dem Feld der Pädagogischen Psychologie. Dafür haben sie über 27.000 Artikel aus 60 wissenschaftlichen Zeitschriften im Zeitraum von 2015 bis 2024 ausgewertet.

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