Sie liebt den Nervenkitzel – und das nicht nur, wenn sie mit 200 km/h in ihrem Kart über eine Rennstrecke flitzt. Neue Herausforderungen sind für Jana Osterheider immer ein Antrieb, zu performen. Und das macht sie. Die 31-Jährige studiert Humanmedizin an der HMU in Potsdam, steckt mitten in ihrer Promotion – und durfte beim Deutschen Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in diesem Frühjahr einen Vortrag halten und rund 1.000 Teilnehmenden ihr Forschungsthema als Poster präsentieren. „Davor hatte ich wirklich großen Respekt, aber es war eine herausragende Erfahrung“, sagt sie.
Von der Kinderintensivstation in den Hörsaal
Obwohl Jana unmittelbar nach dem Schulabschluss als Rennfahrerin Schlagzeilen in der Presse machte – mit Einsätzen auf dem Nürburgring und bei internationalen Rennen –, entschied sie sich für eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester und stellte sich beruflich über mehrere Jahre den täglichen Herausforderungen einer Kinderintensivstation. Ihre nächste Challenge begann im April 2021: das Studium der Humanmedizin an der HMU. Mittlerweile ist das 2. Staatsexamen in greifbare Nähe gerückt und Jana plant schon jetzt ihre nächste Etappe. „Die Anästhesie ist ein Bereich, der mich reizt, vor allem in der Intensivmedizin. Narkosen zu betreuen, im Schockraum zu arbeiten oder als Notärztin im Einsatz zu sein, das bringt schon Spannung. Von daher werde ich einen Teil des Praktischen Jahres ganz sicher in der Anästhesie absolvieren.“
Lipödem und Depression
Doch damit nicht genug: Parallel zum lernintensiven Medizinstudium erforscht sie unter Betreuung von Prof. Dr. Frank Zimmermann-Viehoff den Zusammenhang von Lipödem und Depression. „Im Rahmen einer kooperativen Promotion am Klinikum Ernst von Bergmann habe ich im ersten Schritt eine systematische Literaturprüfung vorgenommen und Lipödem-Studien zusammengetragen, in denen parallel auch Daten zum Thema Depression erhoben wurden. Diese sehr geringe Anzahl an Studien zeigt bereits, dass im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, in der immerhin etwa acht Prozent jährlich an einer Depression erkranken, das Risiko bei Patientinnen mit Lipödem um ein Vielfaches höher ist.“
Forschung über Landesgrenzen hinweg
Im nächsten Schritt wird ein umfassender Fragebogen aus dem Bereich der Plastischen Chirurgie, den Jana gemeinsam mit Prof. Dr. Zimmermann-Viehoff um konkrete Fragen zum psychischen Erleben von Lipödem-Patient:innen erweitert hat, zum Einsatz kommen: in 14 Ländern, darunter Brasilien, Italien, Norwegen, Polen und Schweden, und mit Unterstützung von dort ansässigen fachlichen Gesellschaften und Verbänden. „Darin befragen wir die Teilnehmenden dezidiert über ihr Leben und Erleben mit Lipödem, auch unter gesellschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten. Die erhobenen Daten werden anschließend ausgewertet und analysiert“, beschreibt die Promovendin ihr Vorhaben.
Kongress-Stipendium und viel Zuspruch
Mit ihren Ergebnissen, so hofft die 31-Jährige, könne sie dazu beitragen, dass bei der Diagnose und Behandlung von Lipödem-Patient:innen künftig auch deren psychische Verfassung stärker berücksichtigt wird. Auf dem Kongress jedenfalls fand ihr Thema großen Zuspruch: „Es gab zahlreiche positive Rückmeldungen auf meinen Vortrag und das Poster“, berichtet sie. Das bestätigt auch ihr Promotionsbetreuer: „Ich freue mich, dass die hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen von Frau Osterheider im Rahmen des Kongresses mit großem Interesse verfolgt und gewürdigt wurden. Mit ihren weiteren Forschungsergebnissen wird sie einen wichtigen Beitrag zu einem verbesserten bio-psycho-sozialen Verständnis des weit verbreiteten und dennoch unterdiagnostizierten Krankheitsbilds Lipödem leisten.“ Besonders erfreulich: Janas Abstract wurde auf die Shortlist gesetzt – eine Auszeichnung, die nur besonders relevante und wissenschaftlich überzeugende Beiträge erhalten. Zudem zählte ihr Poster zu den neun besten Einreichungen des gesamten Kongresses. Als Anerkennung ihrer Leistung erhielt Jana ein Kongress-Stipendium.
Der Seele Beachtung schenken
Wenn sie über ihre berufliche Zukunft nachdenkt, sieht sich die sportliche Studentin wieder auf einer Intensivstation, möglicherweise als Anästhesistin, die mit dem Wissen aus ihrer Promotion auch die Seele ihrer Patientinnen und Patienten im Blick behält. „Auf Intensivstationen liegt das Hauptaugenmerk meist auf der physischen Funktionalität. Der Seele wird da nicht so viel Beachtung geschenkt. Aber nach einem Intensivaufenthalt entwickeln 40 Prozent der Patientinnen und Patienten psychische Belastungen. Um dies zu vermeiden, würde ich mit meinem Wissen gern frühzeitig Impulse setzen und in diesem Bereich auch weiterhin forschend arbeiten.“