Ihr Tag folgt einem festen Zeitplan. Vormittags lernt Medizinstudentin Anni Kötitz an der HMU, nachmittags absolviert sie zwei Ruder-Trainingseinheiten am Bundesstützpunkt in Berlin, abends sitzt sie über ihren Anatomie-, Biochemie- oder Physiologie-Unterlagen. Was nach einem fast unmöglichen Spagat klingt, ist für die 22-Jährige Alltag: Spitzensport und Medizinstudium unter einen Hut zu bringen.
Medizin und Medaillen

Das Wasser ist ihr Element, Medaillen sind ihre Motivation. Mit sechs Jahren taucht Anni ins Schwimmbecken ein, mit zwölf tritt sie in die Fußstapfen ihrer Eltern und beginnt zu rudern. Auf der Sportschule Potsdam verbindet sie Hochleistungstraining mit schulischem Lernen – und schafft ein hervorragendes Abitur. „Dafür musste ich meinen Tag gut einteilen: in Lernzeit und Trainingszeit. Diese Disziplin hilft mir auch jetzt im Studium.“ Unterstützung bekommt sie sowohl von ihrem Verein als auch von der HMU, die Kaderathletinnen und -athleten finanziell und organisatorisch unter die Arme greift. „Abhängig von meinem Stundenplan habe ich an sechs Tagen pro Woche eine große Trainingseinheit, meist mit meinen Ruderpartnerinnen im Verein. Zusätzlich baue ich mir Kraft- und Ausdauertrainings ein. Wenn ich beispielsweise auf dem Rad sitze, nutze ich die Zeit, um mir parallel eine Vorlesung online anzuschauen.“
Jede freie Minute nutzen
Weil Seminare und Praktika an der Uni Präsenz erfordern, nutzt Anni für ihre Vorlesungen oft die Online-Aufzeichnungen. „Die Qualität ist super, ich kann in meinem eigenen Rhythmus lernen und bei Bedarf auch mal etwas wiederholen.“ Für die ambitionierte Studentin zählt jede freie Minute. Ob in der Bahn oder als Beifahrerin im Auto: Sie lernt und wiederholt den Stoff, denn ihr Ziel ist klar. „Das Studium bringt mich an meine Grenzen, aber es begeistert mich total. Und ich weiß schon jetzt: Wenn der Sport eines Tages in den Hintergrund rückt, wird die Medizin meine Leidenschaft für das Rudern ablösen.“
Gemeinsam lernen
Das erste Semester hat die sportliche Studentin geschafft. Aktuell absolviert sie ein Pflegepraktikum und lernt für ihre restlichen Klausuren. „Im Sommer war ich bei der ersten Klausurenphase nicht dabei, weil ich im Trainingslager war und anschließend bei der WM. Dafür habe ich meine Seminare und Praktika vorher schon in anderen Kursen belegt.“ Was ihr außer einem klaren Zeitplan noch beim Lernen hilft? „Der Austausch mit meinen Mädels aus dem Kurs! Wenn es hart auf hart kommt, kann ich auch meine Dozenten fragen. Die haben immer ein offenes Ohr.“ Ihre Geheimtipps für künftige „Erstis“: „Bildet schnell eine Lerngruppe und nehmt Kontakt zu höheren Semestern auf, gerne auch zu mir. Ich habe sehr davon profitiert, dass eine Bekannte im Premierenjahrgang der HMU studiert und demnächst ihre M2-Prüfung hat. Sie konnte mir viele wertvolle Tipps geben.“ Manchmal mache es auch Sinn, bekennt Anni, sich einen anderen Lernort zu suchen. „Ich habe festgestellt, dass ich in der Bibliothek besser lerne als zu Hause.“

Olympia im Blick
Wie es mit ihrer Ruder-Karriere weitergeht, will Anni demnächst entscheiden. Ihr Traum: die Olympischen Sommerspiele in Los Angeles 2028. „Wenn ich die Klausuren geschafft habe, werde ich mich ernsthaft damit auseinandersetzen, wie hoch meine Chancen für L.A. sind. Eine realistische Chance auf Olympia würde ich nicht ungenutzt lassen.“ Dafür stünden dann jedoch mehrwöchige Trainingslager auf dem Plan. „In diesem Fall müsste ich über Urlaubssemester nachdenken oder gemeinsam mit der HMU andere Lösungen finden. Ich möchte die Medizin auf keinen Fall schleifen lassen.“
Kleine Auszeiten
Jeder Satz, den sie spricht, zeigt: In Annis Brust schlagen zwei Herzen. Das Studium sei für sie nicht nur inhaltlich spannend, so die 22-Jährige: „Es sorgt auch dafür, dass sich in meinem Leben nicht alles nur um den Sport dreht. Das ist superwichtig für mich.“ Auch kleine Auszeiten seien wertvoll, um Kraft zu tanken und neue Energie zu bekommen. Ihre knapp bemessene Freizeit verbringt Anni daher mit ihrem Freund, der ebenfalls Leistungsruderer ist, mit Freunden oder gemütlich auf der Couch. „Diese Zeiten nehme ich mir und genieße sie dann ganz bewusst.“